Donnerstag, 4. November 2010

Das multimediale Elend

Die 6,7 Millionen Hartz IV-Empfänger in Deutschland geben ihr Geld vor allem für Flachbildfernseher, teure Internet-Flatrates und andere Statussymbole aus. Diese provokante These kommt ausgerechnet von einem, der ein Anwalt der Armen ist: Pastor Bernd Siggelkow, Gründer des Kinderhilfsprojekts "Arche". Jede Woche kommen mehr als 1.000 Kinder und 100 Erwachsene in die "Arche"-Häuser, für eine warme Mahlzeit oder Kleidung.
Siggelkow nennt sogar konkrete Zahlen. Er sagt: 80 Prozent der Hartz IV-Bezieher würden ihr Geld für Statussymbole ausgeben, 80 Prozent hätten deshalb Schulden – und 80 Prozent der Kinder bekämen kein Frühstück.
RTL-Reporter wollen wissen, wie Hartz IV- Empfänger zu diesen brisanten Aussagen stehen und ob sie ihr Geld wirklich für teueren Schnickschnack verplempern. Sie besuchen die Schweinbergs in Leipzig. Die fünfköpfige Familie ist wirklich gut ausgerüstet: ein großer Fernseher im Wohnzimmer, vier kleine TV-Geräte für die Kinder, dazu ein Notebook und eine Wii-Spielkonsole.
Teure Elektronik muss nicht sein, findet Pastor Siggelkow. Gerade Hartz IV-Empfänger sollten ihr Geld sinnvoller ausgeben. Doch das traut er ihnen offenbar nicht zu, fordert deshalb sogar, den Eltern nicht "noch mehr Geld" zu geben. "Ich meine, der Hartz IV-Satz muss nicht erhöht werden." Seiner Meinung nach brauchen Heranwachsende mehr finanzielle Hilfe – etwa durch einen Bildungs-Chip, mit dem die Kinder und Jugendlichen Mittagessen, Nachhilfeunterricht und Musikstunden bezahlen könnten.
Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband (und hauptberufliche Tränendrüse der "Armen") bewertet die Vorliebe für moderne Technik etwas anders. Er sagt, die Zeiten hätten sich geändert. Ein Flachbildfernseher sei heute völlig normal "und Computer brauchen Kinder, um sozial mithalten zu können."
Mandy Schweinberg hat auch kein schlechtes Gewissen, sie findet die Vorwürfe von Pastor Bernd Siggelkow ungerecht. Sie spare überall, nur damit es ihren Kindern gut gehe. Die Geräte seien nicht teuer gewesen, das meiste habe man gebraucht gekauft oder geschenkt bekommen. Nur wer von Hartz IV lebe wisse, wie viele Entbehrungen das tagtäglich bedeute.

Quelle: rtl-news