So unblutig ist der Afghanistan-Einsatz für die
Bundeswehr seit dem Beginn vor elf Jahren nicht gewesen: Im abgelaufenen
Jahr hat Deutschland am Hindukusch erstmals keinen Toten zu betrauern
gehabt. Die Truppe hatte Glück, denn Aufständische verübten auch 2012
Angriffe auf deutsche und internationale Soldaten und auf einheimische
Sicherheitskräfte in Nordafghanistan. Allerdings hat sich nach
Einschätzung der Bundeswehr die Sicherheitslage in ihrem Einsatzgebiet
auch tatsächlich deutlich verbessert.
Bislang kostete das Engagement am Hindukusch 52
deutsche Soldaten das Leben, 34 von ihnen starben bei Angriffen und
Anschlägen. Der letzte tödliche Sprengstoffanschlag auf die Truppe liegt
an diesem Mittwoch genau 19 Monate zurück, damals wurde ein Soldat
getötet.
Insgesamt fielen 2011 sieben Deutsche. Im Jahr zuvor
starben neun, drei davon am Karfreitag 2010, als die Taliban die
Bundeswehr in das bislang schwerste Gefecht ihrer Geschichte
verwickelten. Nun spricht der Kommandeur der Internationalen
Schutztruppe Isaf in Nordafghanistan, Bundeswehr-General Erich Pfeffer,
von einer "Trendwende" bei der Sicherheitslage.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut
Königshaus, verwendet dieselbe Formulierung. Königshaus sieht einen
Grund für die positive Entwicklung in der verbesserten Ausrüstung. Die
Soldaten, so sagt er, müssten anders als früher nicht mehr "mit offenen
Campingwagen durchs Gebirge" fahren, sondern seien in geschützten
Fahrzeugen unterwegs. Pfeffer führt die verbesserte Sicherheitslage
maßgeblich auf die afghanischen Sicherheitskräfte zurück, deren Leistung
sich deutlich gesteigert habe und die bei den meisten Operationen im
Norden des Landes inzwischen federführend seien.
Allerdings zahlen afghanische Armee und Polizei für
ihr wachsendes Engagement einen hohen Blutzoll: Landesweit wurden im
abgelaufenen Jahr mehr als 1000 Soldaten bei Angriffen und Anschlägen
der Aufständischen getötet. Noch schwerere Verluste erleidet die
afghanische Polizei: Im Durchschnitt hat sie 200 Tote zu beklagen - und
zwar pro Monat.
Während die Opferzahlen der Afghanen steigen, sinken
die der Nato-geführten Isaf. Etwa 400 ausländische Soldaten kostete der
Einsatz im abgelaufenen Jahr das Leben, weniger waren es zuletzt im
Jahre 2008. Der Trend dürfte sich fortsetzen, je mehr Verantwortung die
einheimischen Sicherheitskräfte von der Schutztruppe übernehmen. Bis
Ende 2014 soll der mehrstufige Prozess abgeschlossen sein - dann soll
der Isaf-Einsatz enden.
Aschraf Ghani, der Beauftragte von Präsident Hamid
Karsai für den Abzug, sagte am Silvestertag: "Die Isaf war im Kampf an
vorderster Front, und die afghanischen Sicherheitskräfte waren im
Hintergrund. Heute verschiebt sich das dahin, dass die afghanischen
Sicherheitskräfte in den Vordergrund kommen und die Isaf eine
Unterstützerrolle annimmt."
Nicht enden wird allerdings das internationale
militärische Engagement am Hindukusch: Der Isaf soll nämlich eine
weitere Nato-Mission nachfolgen. Dass dennoch immer wieder vom Abzug der
internationalen Truppen gesprochen wird, ist zumindest
missverständlich.
Im jüngsten Fortschrittsbericht der Bundesregierung
von Ende November heißt es zwar: "Auch nach 2014 sollen internationale
Soldaten in Afghanistan stationiert werden." An anderer Stelle ist dann
aber doch wieder vom "Abzug der Truppen bis Ende 2014" die Rede. Dabei
sollen - die Zustimmung des Bundestags vorausgesetzt - auch deutsche
Soldaten ab 2015 noch in Afghanistan sein.
Noch ist nicht beschlossen, wie viele Soldaten die
Bundeswehr dann stellt. Die oft kolportierte Zahl von 1000 erscheint
aber zumindest dem Wehrbeauftragten Königshaus, "nicht zu groß". Der
Schwerpunkt der Mission soll auf der Ausbildung der afghanischen
Sicherheitskräfte liegen.
Doch auch die Ausbilder werden geschützt werden
müssen und zwar von kampfbereiten Soldaten - auch deshalb führt die viel
beschworene Formulierung vom "Abzug der Kampftruppen" 2014 in die Irre.
Auf jeden Ausbilder, so die Rechnung der Bundeswehr, werden
voraussichtlich sieben "Unterstützer" kommen. Königshaus kann sich auch
vorstellen, dass die im Dezember nach Afghanistan gebrachten
Kampfhubschrauber vom Typ "Tiger" über 2014 hinaus in Afghanistan
bleiben.
Dass der offizielle Kampfauftrag 2015 entfällt, wird
die Soldaten aber nicht vor Angriffen der Taliban oder vor den
inzwischen verbreiteten Attentaten durch afghanische Sicherheitskräfte
schützen. Möglicherweise werden also auch nach 2014 noch deutsche
Gefallene in Afghanistan zu beklagen sein.
Denn schließlich, so sagt General Pfeffer: "Beim
Einsatz von Streitkräften können Sie das Risiko von Tod und Verwundung
nie ausschließen." (dpa)