Montag, 18. Februar 2008

Schüler als Täter und Opfer

Wie man Konflikte besser lösen kann, zeigt das Kölner Präventionstheater "Zartbitter" am Dienstag (19.02.) Fünft- und Sechstklässlern der Gummersbacher Realschule Hepel. Warum Gewalt Thema in der Schule ist, fragte Arnd Gaudich die Lehrerinnen Vera Merbold und Gudrun Flitsch.

Eine ganze Woche beschäftigen Sie sich in der Erprobungsstufe mit Gewaltprävention. Warum?

Merbold: Zum Glück nicht, weil unsere Schüler überaus gewalttätig sind. Trotzdem ist die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung auch an unserer Schule in den vergangenen Jahren gesunken, dem wollen wir entgegenwirken.

Wie bringen Sie den Kindern bei, nicht die Fäuste sprechen zu lassen?

Flitsch: Indem wir sie mit Rollenspielen sensibilisieren. Bei verschiedenen Konfliktszenarien versetzen wir die Schüler in die Rolle von Opfer, Täter, Zuschauer und Zeuge. Die wichtigste Frage, mit der wir die Kinder konfrontieren, ist: "Was geht im Opfer vor?" Ich weiß, dass Kinder ein enormes Gespür für Ungerechtigkeit haben. Sie erkennen verbale Verletzungen und was weh tut.

Merbold: Alles dreht sich um Empathie. Die Schüler lernen, sich in andere hineinzuversetzen und deren Situation nachzuempfinden. Denn es reicht eben nicht zu sagen: "Das ist falsch, das darfst Du nicht!" Die Kinder müssen verstehen, warum etwas falsch ist.

Und das reicht, um Konflikte zu vermeiden?

Merbold: Streitereien wird es auch weiterhin geben. Doch wir geben den Schülern Lösungsmöglichkeiten an die Hand. Ein erster Schritt ist, seine persönlichen Grenzen aufzuzeigen. Wer sagt "Stopp, das geht zu weit", kann einen Konflikt in vielen Fällen vermeiden. Durch die Arbeit im Klassenverband wird zudem das Gemeinschaftsgefühl der Gruppe gestärkt und gegenseitige Verantwortung gefördert.

Flitsch: Das Erlernen sozialer Kompetenz setzt sich in den höheren Klassen fort. So übernehmen zum Beispiel die Zehntklässler die Patenschaft über die Fünfer - das funktioniert prima. Die Großen passen auch die Neuen auf, sie greifen ein, wenn's Streit gibt und helfen ihnen sogar in ihrer Freizeit bei den Hausaufgaben.

"Ganz schön blöd" heißt das Theaterstück. Worum geht's?

Flitsch: Um Gewalt in den neuen Medien: Ein Mädchen wird mit Handyfotos erpresst. Ihr zeigt ein Schutzengel, wie sie die Situation friedlich lösen kann.

Gibt es auch an Ihrer Schule Probleme mit Handys?

Merbold: Nein, denn hier sind Handys bereits seit zwei Jahren verboten - und in einem handyfreien Haus arbeitet es sich sehr viel besser.

(Quelle: OVZ vom 16.02.2008)

> mehr Infos zum Thema gibt es hier

Samstag, 16. Februar 2008

Deutsche Kinder und Jugendliche – Opfer ihres Medienkonsums

Gestützt auf eine seit 2005 laufende Untersuchung von 1.000 Berliner Kindern und einem Experiment zu den Auswirkungen unterschiedlicher Freizeitbeschäftigungen auf die Konzentrationsleistung zeigt sich ganz klar:

Je mehr Zeit Schülerinnen und Schüler mit Medienkonsum verbringen und je brutaler dessen Inhalte sind, desto schlechter fallen die Schulnoten aus.

Bereits als Viertklässler verfügen die vier PISA-Verlierergruppen in ihren Kinderzimmern über eine erheblich größere Ausstattung mit Fernseher, Spielkonsole und Computer als ihre jeweilige Gegengruppe. So besitzen die Jungen zu 38 Prozent eine eigene Spielkonsole, Mädchen dagegen nur zu 16 Prozent. Bei Migrantenkindern im Vergleich zu deutschen Kindern fällt hier der Unterschied mit 44 Prozent zu 22 Prozent ähnlich groß aus. Er wächst sogar auf 43 Prozent zu 11 Prozent, wenn wir Kinder aus bildungsfernen Familien (beide Eltern höchstens Hauptschulabschluss) mit solchen aus der bildungsnahen Mittelschicht vergleichen (mindestens ein Elternteil Akademiker).
Beim Fernseher zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Norddeutsche Kinder verfügen zu 42 Prozent über ein eigenes TV-Gerät, süddeutsche nur zu 27 Prozent. 10-Jährige aus Migrantenfamilien liegen mit 52 zu 32 vor den deutschen Kindern. Und erneut ergibt sich der größte Unterschied, wenn wir nach dem Bildungsniveau der Eltern unterscheiden (bildungsfernes Elternhaus: 57 %, bildungsnahe Mittelschicht 16 %).
Als Folge dieser Ausstattungsunterschiede bei Mediengeräten weisen die PISA-Verlierer schon als 10-Jährige und später als 15-Jährige einen weit höheren und auch inhaltlich problematischeren Medienkonsum auf als ihre bei PISA besser abschneidenden Vergleichsgruppen. Dies belegen zwei vom KFN durchgeführte Querschnittsbefragungen von 5.500 Viertklässlern und 17.000 Neuntklässlern.
Welche Konsequenzen müssen daraus gezogen werden?
  • Die Eltern müssen bundesweit über die Schulen gezielt darüber aufklären, wie negativ sich extensiver Medienkonsum auf Schulleistungen auswirkt. Und wir sollten ihnen eine klare Botschaft vermitteln: Bildschirmgeräte gehören nicht ins Kinderzimmer.
  • Der Jugendmedienschutz entfaltet nach wie vor nicht die erhoffte Wirkung. Kinder und Jugendliche kommen relativ problemlos an Filme und Spiele heran, die als jugendgefährdend anzusehen sind. Ein Weg dies zu verhindern, wäre der Einsatz von Jugendlichen als Testkäufer.
  • Wir müssen alles daran setzen, die Nachmittage der PISA-Verlierer vor einem ausufernden Medienkonsum zu retten. Eine nachhaltige Verbesserung der Situation wird nur über die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen zu erreichen sein, die nachmittags primär einem Motto verpflichtet sind: Lust auf Leben wecken durch Sport, Musik, kulturelles und soziales Lernen.
  • Und schließlich müssen wir auf ein gravierendes Problem hinweisen: Die wachsende Computerspielabhängigkeit von Jungen. Wir können deswegen nicht akzeptieren, dass beispielsweise das Spiel „World of Warcraft“ weiterhin ab 12 Jahre frei gegeben bleibt, obwohl inzwischen klar ist, dass 15-jährige Spieler mit diesem Spiel im Durchschnitt pro Tag 4 ½ Stunden verbringen und viele von ihnen in suchtartiges Spielen geraten. Zur Entstehung dieses Phänomens benötigen wir zum einen mehr Forschung, zum anderen Modellversuche zur praktischen Erprobung von Therapie- und Präventionskonzepten.

Freitag, 15. Februar 2008

Tabakkonsum nimmt weltweit zu

NEW YORK. Alle sechs Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen des Rauchens. Im 20. Jahrhundert habe das Rauchen 100 Millionen Menschen getötet, heißt es im ersten umfassenden Welt-Tabak-Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ohne Eindämmung des zunehmenden Tabakkonsums könnten es im 21. Jahrhundert eine Milliarde Tote werden. In Deutschland raucht dem Bericht zufolge rund ein Viertel der Erwachsenen, knapp 20 Millionen - jeder dritte Mann und jede vierte bis fünfte Frau.

Die WHO präsentiert sechs Schlüssel-Maßnahmen, um den weltweit wachsenden Tabakkonsum einzudämmen. Dazu gehören die höhere Besteuerung von Tabak, ein striktes Verbot von Zigarettenwerbung sowie Aufklärung und Hilfsprogramme für Raucher, die von der Sucht los kommen wollen. Dem Bericht zufolge verdienen Regierungen mit der Tabaksteuer weltweit 137 Milliarden Euro im Jahr, geben aber nur 0,2 Prozent davon für Maßnahmen zur Eindämmung des Tabakkonsums aus.

Die Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum, Martina Pötschke-Langer, sprach sich für weitere Erhöhungen der Tabaksteuer aus. Wenn der Preis ansteige, verringere sich der Konsum. "Dank der fünf kleinen Anhebungen in den Jahren 2002 bis 2005 ist der Zigarettenmarkt eingebrochen." Das zeige sich etwa bei Jugendlichen: "Nach einem deutlichen Anstieg in den 90er Jahren ist das Rauchverhalten bei Kindern und Jugendlichen inzwischen drastisch zurückgegangen - von 28 Prozent im Jahr 2001 auf 18 Prozent im vergangenen Jahr."

Für den Welt-Tabak-Bericht hat die WHO Daten aus 179 ihrer Mitgliedsstaaten zusammengetragen, die Zahlen erfassen 99 Prozent der Weltbevölkerung. Weltweit gibt es demnach mehr als eine Milliarde Raucher. Zwei Drittel davon leben in nur zehn Ländern, darunter Deutschland, Japan und die USA. Während jedoch in den Industrieländern die Tendenz zum Rauchen nachlasse, griffen in den Entwicklungsländern immer mehr Menschen zum Glimmstängel, betonte die WHO. Die Werbung ziele dort besonders auf Jugendliche und junge Frauen. Rund 80 Prozent der Raucher kommen demnach bereits heute aus Schwellen- und Entwicklungsländern.

Vier von fünf Rauchern wollten von ihrer Sucht wegkommen, berichtet die Organisation der Vereinten Nationen. Wichtig seien daher neben Aufklärung auch Hilfsangebote. Krebsforscherin Pötschke-Langer machte sich für Schockfotos etwa von Raucherlungen oder braunen Zahnstummeln auf Zigarettenpackungen stark. "Wer 20 Zigaretten pro Tag raucht, sieht diese Bilder 7000 Mal im Jahr", sagte sie. Daneben müsse unbedingt eine Hotline-Nummer stehen, bei der sich Raucher Tipps für ein rauchfreies Leben holen könnten.

Rauchen ist nach WHO-Angaben Risikofaktor für sechs der acht führenden Todesursachen weltweit. Einer von zehn Todesfällen bei Erwachsenen gehe auf Tabak zurück, insgesamt 5,4 Millionen pro Jahr. Tabak töte bis zu jeden zweiten Konsumenten. Fast die Hälfte aller Kinder der Welt sei durch Passivrauchen belastet. Wegen des zeitlichen Verzugs zwischen Tabakkonsum und resultierenden Gesundheitsschäden habe die "Tabakepidemie" gerade erst begonnen, befürchtet die Weltgesundheitsorganisation. (ap/dpa)