BRÜSSEL. Für den Südländer ist Alkohol Teil der Ernährung, für den Skandinavier eine Droge. Südeuropäer trinken, weil es in geselliger Runde dazu gehört. Nordeuropäer trinken, um sich zu besaufen. So lauten etwas zugespitzt die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Studien, die Europas Weinlobby jetzt vorgestellt hat. „Das ist wie der Unterschied zwischen einem ausgedehnten Abendessen und Fast Food“, meint der Londoner Verhaltensforscher Adrian Fulham. In Spanien, Italien oder Griechenland werde zwar mehr getrunken als in Schweden oder Schottland, aber eben langsamer und verträglicher - mit Wasser gemischt, von schwerem Essen begleitet, in Gesellschaft von Eltern und Freunden, weiß auch Marie Choquet vom Französischen Institut für Gesundheitsstudien. Und die Deutschen?
Ihre Art, Alkohol zu konsumieren, habe Elemente beider (Be)-Trinkkulturen - sei quasi eine Mischung. Dem Interessenverband der Weinproduzenten kommen solche Ergebnisse wie gerufen. Erstens, weil sie für die Vermutung sprechen, dass selbst hohe Steuern wie in Skandinavien und Großbritannien Trinker nicht von Besäufnissen abhalten, sondern sie meist nur zum Umstieg auf billigeren Fusel zwingen. Zweitens, weil die vorgestellten Forschungsarbeiten den Weinkonsum für harmlos bewerten, da sich Wein nun mal nicht so gut eignet, um sich im Eiltempo die Lichter auszuschießen. Und drittens, weil diese Studien mit ihrer Betonung unterschiedlicher Trinkkulturen den Sinn europaweit einheitlicher Regelungen prinzipiell in Frage stellen.
Stattdessen wirbt die Weinindustrie dafür, auf Erziehung zu setzen. Vorbild sind für die Winzer dabei die Dänen, weil sie „Eltern-Partys“ veranstalten, bei denen Jugendliche von ihren Vätern und Müttern zwar Alkohol eingeschenkt, aber gleichzeitig gezeigt bekommen, wann Schluss ist. Was Wunder, dass der Promille-Lobby solche Feldversuche besser gefallen als etwaige Werbeverbote oder Steueraufschläge.
(Quelle: http://rundschau-online.de/html/artikel/1246895331303.shtml)
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