Zwei Zeitungsberichte, zwei Länder, zwei Religionen - während US-Präsident Obama den Bau einer Moschee am Ground Zero in New York befürwortet, müssen orthodoxe Christen in der Türkei ihre Religion unter Polizeischutz ausüben.
Washington/USA. US-Präsident Barack Obama unterstützt den umstrittenen Bau einer Moschee am Ground Zero in New York. Obama sagte am Freitag anlässlich eines Essens zum Fastenbrechen im Ramadan im Weißen Haus in Washington, Muslime haben das gleiche Recht zur Religionsausübung wie jedermann in den USA.
In direkter Nachbarschaft zu der Stelle, an der die Zwillingstürme des New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 von islamistischen Terroristen zum Einsturz gebracht wurden, soll ein muslimisches Zentrum entstehen.
Dieses Recht zur freien Religionsausübung dürfe durch nichts erschüttert werden, sagte der Präsident. Obama verwies auf den ersten Zusatz zur US-Verfassung, der die Religionsfreiheit garantiert und eine Diskriminierung aus religiösen Motiven verbietet.
New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg stimmte Obama zu und lobte sein Eintreten für die Religionsfreiheit. Bloomberg selbst hatte sich bereits in der vergangenen Woche positiv zu dem islamischen Zentrum geäußert.
Viele Amerikaner hatten dagegen protestiert und es als geschmack-und taktlos bezeichnet, ein islamisches Gotteshaus neben dem Ort zu errichten, an dem fast 3000 Menschen durch islamistische Terroristen getötet worden waren. Gegner des Projekts sprechen von einer "Zitadelle des Islamismus", von einem "Schlag ins Gesicht" der Opfer und ihrer Angehörigen. (dpa)
Istanbul/Türkei. Für viele orthodoxe Christen in der Türkei ist es ein Tag, auf den sie lange gehofft haben: Erstmals seit fast hundert Jahren dürfen sie an diesem Sonntag im historischen Sümela-Kloster bei Trabzon im Nordosten der Türkei eine Messe zu Maria Himmelfahrt feiern. Am spektakulär in eine steile Felswand gemauerten Kloster, das auf das vierte Jahrhundert nach Christus zurückgeht, werden mehrere tausend Christen erwartet, darunter der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I. Doch türkische Nationalisten protestieren, sie wittern eine Verschwörung gegen die Republik. Die Sicherheitsbehörden sind in Alarmbereitschaft.
Der Zufall will es, dass die Gegend um Trabzon nicht nur eine uralte christliche Region in Anatolien ist, sondern heutzutage auch eine Hochburg radikaler türkischer Nationalisten. Die mutmaßlichen Mörder des türkisch-armenischen Journalisten Hrant Dink kommen aus Trabzon, hier wurde vor vier Jahren der katholische Priester Andrea Santoro in seiner Kirche erschossen. Niemand habe etwas gegen Touristen, sagte Süleyman Latif Yunusoglu, ein rechtsnationaler Parlamentsabgeordneter aus Trabzon. "Aber eine Messe zu feiern, das ist etwas ganz Anderes."
Im vierten Jahrhundert sollen Mönche eine vom Evangelisten Lukas gemalte Marien-Ikone in einer Felsenhöhle südlich von Trabzon entdeckt haben, später entstand hier das Sümela-Kloster, das sich wie ein Schwalbennest an den senkrecht abfallenden Fels klammert. In den 1920er Jahren mussten die allermeisten Griechen die Gegend verlassen: Mit einem Bevölkerungsaustausch wollten Türkei und Griechenland damals klare ethnische Verhältnisse schaffen. Die Ikone wurde ebenfalls nach Griechenland gebracht, das Kloster wurde zum Museum erklärt. Gottesdienste gab es seitdem nicht mehr. Umso dankbarer seien die Christen, dass nun die Genehmigung vom Kulturministerium in Ankara gekommen sei, sagte Patriarch Bartholomäus. Die türkische Regierung bemüht sich seit einiger Zeit, den Christen mit politischen Gesten entgegen zu kommen.
Als "Friedensbotschafter" reisten die Christen nun nach Sümela, sagte Bartholomäus. Er sei sicher, dass die Muslime in Trabzon Verständnis für die christliche Marienverehrung hätten. Schließlich zolle auch der Koran der Mutter Jesu viel Respekt. Von diesem religiösen Respekt ist bei den Nationalisten in Trabzon nicht viel zu spüren. Sie wollen die Messe nicht, und an einem 15. August schon überhaupt nicht. Dass das christliche Fest Maria Himmelfahrt nun einmal auf diesen Tag fällt, lassen sie nicht gelten. Rechtspolitiker Yunusoglu betonte, es sei vielsagend, dass die Messe ausgerechnet am Jahrestag der osmanischen Eroberung des damals noch byzantinischen Trabzon, dem 15. August 1461, gefeiert werden solle. Die rechtsgerichtete Zeitung "Yenicag" verwies darauf, dass auch der bewaffnete Kampf der PKK-Kurdenrebellen an einem 15. August begann. All das mache die Messe zu einer "Rache"-Kundgebung.
Hinter solchen Verschwörungstheorien steckt die tiefe Verunsicherung vieler türkischer Nationalisten. Sie sehen die Einheit ihres Landes ständigen Angriffen von finsteren Kräften ausgesetzt, zu denen sie auch die Christen zählen. Aus diesem Motiv heraus handelten auch die aus Trabzon stammenden Dink-Mörder vor drei Jahren.