Freitag, 22. Juni 2012

Jugendamt auf dem Prüfstand

WIEHL. Das Wiehler Jugendamt will seine Arbeit von einem externen Gutachter auf ihre Wirksamkeit überprüfen lassen. Dieser soll ausdrücklich kein Sozialpädagoge sein, sondern einen besonderen Sinn für Kosten und Nutzen der Jugendhilfe haben.
Zudem sollen mit den beauftragten Sozialdiensten konkretere Zielvorgaben vereinbart werden. So hat es Amtsleiter Michael Schell in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses angekündigt. Hintergrund ist ein Anstieg der Kosten, die Kämmerer Walter Ruland nach eigenen Angaben "entsetzt" hat. Es geht um die "Hilfen zur Erziehung", also alle Maßnahmen, mit denen überforderten Eltern geholfen wird. Das Spektrum reicht bis zur Unterbringung des Kindes in einem Heim mit psychotherapeutischer Betreuung, die monatlich mehr als 6000 Euro kosten kann.
Die Erziehungshilfe des Jugendamts hat seit Anfang 2011 mit einem steilen Anstieg der Fallzahlen zu kämpfen. 2010 kam das Amt noch mit 1,5 Millionen Euro aus, derzeit muss nahezu das Doppelte aufgebracht werden. Die Heimunterbringungen kosten allein fast zwei Millionen. Im Fachausschuss schlüsselte Amtsleiter Schell die Fälle statistisch auf: Das Jugendamt kümmerte sich am Stichtag im Februar um 125 Kinder in 86 Familien. Die allermeisten haben keinen Migrationshintergrund, rund die Hälfte der Mütter und Väter erzieht das Kind allein, mehr als 60 Prozent lebt von Hartz IV. Die meisten neuen Fälle betreffen jedoch zusammen lebende Eltern, die keine Sozialhilfe bekommen. Einen besonders krassen Anstieg gab es bei der ambulanten Betreuung, die allerdings häufig nur einige hundert Euro pro Fall kostet. Schwerwiegender ist die stationäre Unterbringung, bei der die Fallzahl seit 2005 bei den Maßnahmen, die mehr als 4000 Euro kosten, von 3 auf 7 gestiegen ist, und bei Fällen, für die mehr als 6000 Euro aufgebracht werden, von 1 auf 4 gesprungen ist.
SPD-Fraktionsvorsitzender Karl-Ludwig Riegert lobte im Ausschuss die Bemühungen des Jugendamts, die Kosten in den Griff zu kriegen. Die Ausschussvorsitzende Bianka Bödecker (CDU) fürchtet allerdings, dass die Fallzahl kaum beeinflussbar ist. Denn diese hängt stark vom Zu- und Wegzug von betroffenen Familien in oder aus der Stadt ab.

Quelle: OVZ vom 22.06.2012